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Der Kopfsprung eines komischen Vogels

Dominik Eulberg

Dominik Eulberg produziert auf seinem Debütalbum „Flora & Fauna“ sozusagen Natur-Techno. Allerdings geht es ihm dabei nicht um eine neue Unterart von Goa-Trance, sondern um Techno mit einer unterhaltsamen Story - und einem kleinen Denkanstoß.

Die Trottellumme, lateinisch Uria Aalge, ist echt ein komischer Vogel. Sie brütet ihre Eier in den steilen Sandsteinfelsen von Helgoland aus, wo sie unter anderem einen Vogel namens Basstölpel zum Nachbarn hat. Und wenn die Kinder der schwarzweißen Trottellummen nach dem Schlüpfen fliegen sollen, dann lernen sie das, indem sie sich beim so genannten „Lummensprung“ aus ihren Nestern in 30 Metern Höhe ins Meer stürzen - kopfüber. Was diese Story hier soll? Nun ja, sie findet sich auf der Rückseite des Debütalbums eines anderen komischen Vogels, des Technoproduzenten Dominik Eulberg nämlich. „Flora & Fauna“, so der programmatische Titel seines Albums, kommt mit Tracks, die „Der Zug der Kraniche“ heißen oder „Das Röhren der Rotwildbrunft“, sowie mit Linernotes über Feuersalamander, sechs Kilo schwere Taschenkrebse oder die Giftblume Herbstzeitlose. Ja, ist das jetzt Öko-Techno?

Vielleicht ein bisschen. Denn Eulberg, 25, produziert nur nebenbei Techno - eigentlich studiert er in Bonn Geografie mit dem Schwerpunkt Ökologie. Außerdem redet er gerne und ist - im positiven Sinne - ein bisschen over the top. Er ist einer dieser Menschen, die Techno zurzeit mehr als gut tun, weil sie mit ihren Wahnwitz-Tracks die vormals so ernsthaften Minimaltechno-Tanzböden beleben. Eulberg jedenfalls ist momentan auf vielen Kanälen präsent, darum kann man auch leicht denken, er reiße nur wegen seines schnellen Erfolgs seine Klappe so auf. Aber er ist einfach so: eigen und extrovertiert und ein Scherzkeks. Und er nimmt sich weit weniger ernst, als das in manchen Gesprächen vielleicht den Eindruck macht.

Eulberg stammt aus dem Westerwald, „dem wunderschönen Westerwald, wo der Wind so kalt pfeift“, wie er selber sagt. Dort lernte er diese beiden Felder kennen, in denen er heute noch so gerne versinkt: Techno und Natur. So hörte er eines Tages mitten im Grünen von seinen Nachbarskindern Techno und verliebte sich in diese seltsame Musik. „Ich bin mit Techno groß geworden“, sagt er, „ich habe nie etwas anderes gehört.“ Sein Idol zu jener Zeit war Sven Väth, der mit seiner „Clubnight“ samstags auf HR3 im einsamen Westerwald die Diskos ersetzte. Unter diesem Einfluss begann Eulberg als 14jähriger damit, selber Stücke zu basteln. 2001 gab es dann seine erste Veröffentlichung, und zwar bei Mathias Schaffhäusers Kölner Label Ware, an den ein Bekannter von Eulberg heimlich eine CD weitergereicht hatte. Es folgten Veröffentlichungen bei Raum...Musik, Sniper, Trapez, Trapez Ltd. sowie demnächst das vierte Release für das neue Kölner Label Platzhirsch unter dem Pseudonym Rocco Branco. Und jetzt eben sein Debütalbum „Flora & Fauna“ bei Traum, wo auch schon seine Hit-Maxi „Die Rotbauchunken vom Tegernsee“ erschienen ist.

„Das ging alles sehr schnell“, sagt Eulberg selber ein bisschen verwundert. „Aber ich habe niemals Musik gemacht, um damit berühmt zu werden. Da wollte ich nie mitmachen, das ist mir alles gar nicht wichtig.“ Wichtiger sei es ihm, draußen in der Natur zu sitzen - und das ist eben die andere Seite der Person Dominik Eulberg. Schon seit seiner Kindheit sitzt er da und bestimmt Schmetterlinge oder beobachtet Vögel, auch heute noch zwei, drei Mal die Woche, weil das gut ist für sein „inneres Gleichgewicht“, wie er sagt. Häufiger mal nimmt er dabei mit einem Minidisc-Recorder Naturgeräusche auf und verarbeitet sie zu Technotracks, die dann eben „Das Röhren der Rotwildbrunft“ heißen oder „Die Trottellummen von Helgoland“. „Ich will den Leuten damit ein Stück Natur nahe bringen“ erklärt er. Denn er habe festgestellt, dass es in der Technoszene zwar schon eine gefühlte Verbundenheit mit der Natur gebe - aber kein fundiertes Wissen. „Und wenn ich dann mal ein bisschen was darüber erzähle, dann sieht man dann immer ein Leuchten in den Augen der Menschen.“ Natürlich weiß Eulberg, dass man die Natur-Entfremdung nicht mit einem Albumcover und ein paar Linernotes ändern kann. Aber vielleicht einen kleinen Anstoß geben: mit Natur-Techno.

Der Widerspruch, der sich bei dieser Begriffskombination aufdrängt, der zwischen der hochartifiziellen Kulturpraxis computergenerierter Clubmusik und der erdigen Direktheit von Mutter Natur, existiert Eulbergs Meinung zufolge gar nicht. Im Gegenteil, beides liege doch ziemlich nah beieinander, sagt er: „Techno ist nämlich eigentlich etwas ganz Triebhaftes, Ureigenes, Naturhaftes.“ Anhänger von Goa-Trance würden ihm da wohl zustimmen, und tatsächlich Eulberg will auf etwas Ähnliches hinaus: auf eine ästhetisch-formale Verwandtschaft seiner beiden Leidenschaften. Und tatsächlich ähneln sich ja beispielsweise die Geräusche von quakenden Fröschen und das Quäken einer 303. Oder der überall konstant pulsierende Rhythmus der Natur, vom Herzschlag bis zu den jährlichen Reifezyklen, findet sich ja auch irgendwie in Techno widergespiegelt. Selbst aber, wenn man das alles für ausgemachten Blödsinn hält, dann gibt Eulbergs Konzept immer noch eine unterhaltsame Story ab. Schließlich hätten die meisten Menschen sonst wohl nie etwas von ihm gehört: dem Kopfsprung der Trottellumme.