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Greenpeace - Ruf der Wildnis

Wie eine Generation von Popmusikern sich vor der Natur verbeugt und damit den Nerv der Zeit trifft

Sie spielt Harfe, liebkost Kristallsteine und trägt eine Perücke, die rot ist wie Feuer. Sie singt von Mondzyklen und ihrer Bedeutung für den menschlichen Biorhythmus, und im Hintergrund weitet sich das All wie eine Illustration aus einem Kinder­buch: Die Sängerin Björk, 46, ist diese musizierende Fee, man kann sie in dieser Rolle im Video zu „Moon“ erleben, einem Song aus ihrem aktuellen Album „Biophilia“ (Polydor/Universal). Die große Avantgardistin aus dem kleinen Island
feiert mit mystischen Kunstliedern die Weisheit der Natur – nicht erst seit gestern, aber noch nie so konsequent.

Andere Musiker tun es ihr gleich. Die kanadische Sängerin Feist etwa oder die amerikanische Folkband Fleet Foxes raunen in ihren Songs von Bergen, Winden und Himmelszelten. Es ist Natur­impres­sionismus für eine junge Generation, die Konsequenzen zieht aus der drohenden Klimakatastrophe, die Fahrrad fährt statt SUV. Die Musiker sind so erfolgreich, dass sie Konzerte vor 3000 Zuschauern und mehr spielen, obwohl die passendere Bühne die Veranda einer Holzhütte wäre. Sie mögen es lieber leise als laut, lieber bodenständig als pompös.

Die Musikzeitschrift Spex hat diese neue Musikströmung auf den Namen „Bio­pop“ getauft. „Retten sie unseren Plane­ten?“, fragte das Magazin und meinte dabei vor allem die weibliche Garde der Bewegung. Björk zum Beispiel ist alles andere als ein putziges Blumenkind. In ihrer Heimat hat sie mehrmals medienwirksam gegen In­dus­triekonzerne protestiert. Die Queen des Elektropop ist eine Umweltaktivistin, ihr Album „Biophilia“ eine Schulung für mehr Umweltbewusstsein. „Crystalline“ oder „Thunderbolt“ heißen ihre sphärischen Lautmalereien. Ihnen beigefügt sind Apps fürs Smartphone, die Texte über die Verwandtschaft zwischen Musik und Natur enthalten.

Die Musiker treten das Erbe der Hippies an. Doch während die alten Flower-Power-Hymnen nicht selten in Kitsch abdrifteten, geben sich die Nachfahren aufklärerisch. Man nimmt ihnen ab, dass nicht ökonomisches Kalkül sie antreibt, sondern ihre Passion. Ausnahmen bestätigen die Regel: Katie Melua, 27, hat bereits 14 Millionen Alben verkauft. Die britische Folksängerin bezirzt ihre Hörer mit heimeliger Früher-war-alles-besser-Nostalgie. Dem Autokonzern Opel gefiel Meluas Image
so gut, dass er die Sängerin als Werbe­botschafterin engagierte. Nun preist sie das neue Elektroauto Ampera an.

Die 34-jährige Leslie Feist aus Toronto kommt ohne Sonnenuntergangs-Romantik, seufzende Streicher und Öko-Auto­werbung aus. Ihre Folksongs sind auf das Nötigste reduziert: Gitarre, Glockenspiel, Klavier, Trommel, Trompete und eine Stimme, die klingt, als habe der Wind sie herangetragen. Feists Sympathie für die Natur ist keine Pose. Für die Umweltinitia­tive
„Cape Farewell“ ist sie vor vier Jahren an die
grönländische Westküste gereist, um mit anderen Künstlern und Wissenschaftlern die Erderwärmung zu kartografieren.

Zuletzt erschien Feists Top-Ten-Album „Metals“ (Polydor/Universal). Im Song „Caught A Long Wind“ hofft sie darauf, ein unschuldiger Vogel möge die ver­schlos­sene Tür zu ihrer Seele aufstoßen: „Little bird, have you got a key?/ Unlock the lock inside of me“ („Kleiner Vogel, hast du einen Schlüssel?/ Öffne das Schloss in mir“). Doch die Sängerin ahnt, dass der Vogel unverrichteter Dinge davonfliegen wird: „Where will you go?/ Keep yourself afloat“ („Wohin wirst du gehen?/ Halte dich über Wasser“). Der Mensch muss sich schon selbst retten, lautet ihre Botschaft.

Den Rückzug in die Wildnis hat niemand radikaler vollzogen als der US-Ame­ri­kaner Justin Vernon, ein bärtiges Bleichgesicht, dessen Bandprojekt Bon Iver heißt. 2007 verbarrikadierte er sich monatelang in einer Jagdhütte in den Weiten Wiscon­sins und komponierte seinen Erstling „For Emma, Forever Ago“, den Schwanen­gesang auf eine verlorene Liebe. Im vergange­nen Jahr veröffentlichte er sein Album „Bon Iver“. In Songs wie „Lisbon/OH“ oder „Minnesota/WI“ feiert Bon Iver die Unver­sehrt­heit der nordamerikanischen Einöde. Der Gesang ist klar, das Gitarrenspiel frisch: ein Fest der Reinlichkeit. Bon Iver brachte es damit auf den zweiten Platz der US-Album-Charts.

Dieser Erfolg ist vielleicht auch auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen: In den letzten vier Jahren haben allein in den USA mehr als acht Millionen Menschen ihren Job verloren. Die Idee der Selbstversorgung erfährt mit selbst angebautem Gemü­se und handgestrickten Wollschals eine Re­­naissance. Für viele ist nur noch auf Mut­ter Erde Verlass, und manche träumen da­von, stoisch zu sein wie ein Gebirgszug, der alles menschliche Unheil überdauert.

So singen die Fleet Foxes in einem Vers ihres mehrstimmigen Landschaftsgemäldes „Grown Ocean“ von dieser Vision: „In that dream, I’m as old as the mountains“ („In diesem Traum bin ich so alt wie die Berge“). Die Musik der Fleet Foxes ist eine große Andacht für die Natur, dargeboten von einem Chor struppiger Vagabunden. Die Hymnen ihres aktuellen Albums „Help­­lessness Blues“ (Cooperative Music/Uni­versal) werden von ihren Fans auf Konzerten mit einer Inbrunst angestimmt, die an deutsche Kirchentage erinnert.

Vorbote der Grünfärbung der deutschen Popmusik ist der Technomusiker Dominik Eulberg, der als Ranger in Naturparks jobbt.
Er gibt auf seinem Album „Diorama“ (Traum/Rough Trade) Clubgängern Lek­tio­nen in Heimatkunde. Mit dem Nabu hat Eulberg Naturphänomene ausfindig gemacht, die er in seinen Tracks nacherzählt. In „Echomaus“ verkörpern seine Synthiesounds die Ultraschallwellen, mittels derer sich Fledermäuse im Raum orientieren. Orgias­tische Ravebeats im Stück „Neun­auge“ symbolisieren die Metamorphose von der Larve zum Fisch.

Die Feier der Natur im Pop: Sie ist eine Rückbesinnung auf eine Verlässlichkeit, die unserer Gegenwart abhandengekommen ist.

Artikel auf Greenpeace-magazin.de